Kopf unter Wasser, Neopren auf der Haut, kiloweise Blei um die Hueften - und dann tief Luft holen. Tauchen? Das muss bei einem Asthmatiker schiefgehen. Wie ist es, wenn einem 31 Meter unter der Wasseroberflaeche die Luft wegbleibt.
Ein Erfahrungsbericht von Jens Lubbadeh
Es ist ja schon der Wahnsinn: Erst quält man sich in ein Ganzkörperkondom, schnallt sich kiloweise Bleigewichte um die Hüften, packt sich die Druckflasche auf den Rücken, zieht Flossen an die Füße und eine Maske übers Gesicht - und dann springt man auch noch so hinein ins Wasser.
Es geht abwärts. In die Welt der Rochen, Muränen und Anemonen. Tauchen ist eine phänomenale Erfahrung. Ich kann nur jedem raten, es einmal zu probieren. Vergessen Sie diese albernen Parabelflüge. Nirgendwo sonst bekommt man auf Erden so billig und so lange Schwerelosigkeit wie beim Tauchen. Und jede Menge Frischfisch obendrein.
Vorsicht, bissiger Nemo!
Doch das Fisch-Universum hat seine eigenen Gesetze. Sie kennen Nemo, den süßen Clownfisch? Der sieht tatsächlich sehr niedlich aus, wenn er sich in seiner Makkaroni-Anemone verkriecht. Aber Nemo kann auch anders. Kommt man ihm und seiner Anemone zu nah, schießt er schnurstracks auf einen los - ganz egal, ob man hundertmal größer ist. Nemo hat meine Freundin mal gebissen, bis das Blut kam. Und die ist eigentlich auch echt süß. Das fanden auch die drei Feuerfische, die sich mal an sie ranmachten. Wunderschöne, imposante Tiere mit einem kunterbunten, strahlenförmigen Flossenkostüm, die aussehen wie kleine Drachen. Sie schwimmen sehr langsam - was toll ist, weil man sie dann besonders gut beobachten kann. Warum sie so langsam schwimmen, war uns nicht klar: weil sie wahnsinnig giftig sind. Als wir einmal zum Ende eines Tauchgang einen Sicherheitsstop machten - man muss beim Auftauchen dem Stickstoff Zeit geben, aus dem Blut zu entweichen - tuckerten drei Feuerfische von hinten auf sie zu. Nur noch einen halben Meter entfernt, wollte ich ihr die drei hübschen Gesellen zeigen. Unser Tauchguide hielt das für keine gute Idee und wir schwammen - durchaus sehr schnell - davon.
Atemnot beim Wracktauchen
Soweit die Tierwelt. In diesem Urlaub aber erlebte ich ein Abenteuer der anderen Art, ganz unten, in 31 Meter Tiefe. So weit runter gehe ich selten, das meiste sieht man auch weiter oben. Aber diesmal wollten wir ein Wrack betauchen. Dort angekommen, winkte mir der Tauchguide, dass ich auf ihn zuschwimmen sollte - er wollte ein Foto von mir machen. Da passierte es: Ich war plötzlich außer Atem. Dabei hatte ich mich gar nicht angestrengt. Ich war auch nicht nervös, schließlich tauche ich seit 13 Jahren.
Ich sog so viel Luft aus dem Atemregler in meinem Mund, wie ich konnte. Ich spürte sie in meine Lungen sprudeln. Aber es wurde nicht besser. Ich atmete wieder und wieder tief ein, doch ich bekam einfach nicht genug Luft. Langsam wie ein Feuerfisch stieg Panik in mir hoch.
31 Meter sind nichts - über Wasser. Die rennt man in wenigen Sekunden. Das ist etwas mehr als eine Bahnlänge im Schwimmbad. Die kraule ich in einer halben Minute. Doch eine 31 Meter hohe Wassersäule über einem trennt einen von der Außenwelt wie die meterdicke Betonwand eines Atombunkers. Obwohl man genau weiß, dass man diese paar Meter schnell durchschwimmen könnte, darf man es nicht. Denn das Blut ist voll mit dem Stickstoff aus der komprimierten Luft der Druckflasche. Würde man aus dieser Tiefe schnell nach oben schwimmen, würde das Gas im Blut ausperlen. Man würde sich in eine überschäumende Sektflasche verwandeln.
Der Überlebenswille interessiert sich nicht für Tauchtheorie
Hat man unten ein Problem, muss man es auch unten lösen. Soweit die Theorie, die einem immer und immer wieder eingehämmert wurde. Unser Überlebenswille interessiert sich aber nicht für den PADI-Tauchkurs. Der schickt nur einen einzigen Befehl an den Rest des Körpers: raus!
Immerhin war ich geistesgegenwärtig genug, nicht den Schleudersitz zu zünden, sondern schwamm zu meinem Tauchguide. Ich signalisierte ihm, dass ich ein Problem mit der Luft hatte und machte eine Faust mit dem Daumen hoch. Über Wasser heißt das: alles top. Unter Wasser: Nichts ist top. Ich muss raus, sonst zeigt gleich der Daumen nach unten.
Er nahm mich hoch, aber nur einige Meter, um den Druck zu lindern. Und dann tat er etwas Großartiges: Er presste den Knopf auf meinem Mundstück. Schon mal an der Tankstelle bei der Reifen-Pumpe auf den Knopf mit dem Plus gedrückt? Sofort schoss ein Schwall Luft heraus, direkt in meine Lunge. Dieser Knopf ist eigentlich dazu da, das Mundstück mit Luft auszupusten, wenn es mal mit Wasser vollläuft. Jetzt pumpte er meine Lungen auf. Darauf wäre ich im Leben nicht gekommen. Ich hatte wieder genug Luft, die Panik war weg. Wir tauchten weiter und und machten noch jede Menge Fotos.
Der Vorfall dauerte höchstens zwei Minuten - es waren die längsten meines Lebens. Was genau mir da unten passiert ist, weiß ich nicht, vermutlich hatte ich einen leichten asthmaanfall. Ich weiß nur: Künftig werde ich unter Wasser den Ball flach halten.
aus Spiegel online Gesundheit
http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/tauchen-mit-asthma-atemlos-in-der-tiefe-a-902374.html
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